Strategy

Mut zum Richtungswechsel: mit dem Pivot zum langfristigen Erfolg.

Philipp Wolf
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14.2.2024

Unternehmen, die sich nicht ständig neu erfinden, drohen im Strudel neuer Entwicklungen unterzugehen. Doch wie gelingt der Sprung ins Ungewisse? Wie lässt sich ein bestehendes Geschäftsmodell radikal umbauen, ohne das eigene Unternehmen zu gefährden?

Der mutige Schritt

Die Rügenwalder Mühle gehört seit 1834 zu den festen Größen der Deutschen Fleischindustrie. Doch 2015 begann das Unternehmen aus Bad Zwischenahn, in Anbetracht des wachsenden Interesses an pflanzlichen Alternativen, das eigene Geschäftsmodell zu hinterfragen. Gehört dem bestehenden Sortiment des Unternehmens noch die Zukunft? Oder braucht es neue, bessere Produkte - ohne Fleisch?

Statt sich das Leben einfach zu machen, entschied sich die Geschäftsführung um Godo Röben für einen radikalen Schnitt. Neu Produkte, auf pflanzlicher Basis, sollten in nur wenige Jahren bereits die Hälfte des Umsatzes ausmachen. Heute ist die Rügenwalder Mühle deutscher Marktführer im Segment pflanzlicher Fleischalternativen.

Der Lohn des Risikos

Der Fall Rügenwalder zeigt, dass ein Pivot nicht nur eine Rettung in der Not sein kann, sondern auch eine Chance für neues Wachstum. Unternehmen, die den Wandel aktiv gestalten, können  neue Märkte erschließen, ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken und den langfristigen Erfolg sichern.

In diesem Artikel beleuchten wir die folgenden Aspekte:

  • Warum ist der Wandel in der Lebensmittelindustrie so wichtig?
  • Welche Herausforderungen birgt ein Pivot?
  • Welche Unternehmen haben einen erfolgreichen Pivot geschafft?

Wandel beginnt mit dem Willen

Es ist nicht leicht, Dinge zu ändern. Jeder kennt es: schlechte Gewohnheiten abzulegen ist ungefähr genau so schwer, wie neue (gute) zu etablieren. Noch schwerer ist es, ein bestehendes Geschäftsmodell komplett umzukrempeln. Doch eben dies ist manchmal nicht nur notwendig, sondern kann über das Fortbestehen eines Unternehmens entscheiden.

Denn kaum eine Branche ist so dynamisch, wie die der Lebensmittel und Getränke. Ein Trend, der gestern noch viele Startups die Hype-Welle reiten ließ, kann morgen schon einfach verpuffen. Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft müssen flexibel und offen für Veränderungen sein, um sich ständig wandelnden Marktanforderungen anpassen zu können. Manchmal bedeutet dies, den Kurs des gesamten Unternehmens zu ändern und ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln, oder zumindest das bestehende deutlich zu ändern. Ein solcher Richtungswechsel, auch bekannt als Pivot, kann in verschiedenen Situationen der richtige Weg sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben und den langfristigen Erfolg zu sichern.

Gründe für einen Pivot

Die Entscheidung für einen Pivot ist nie leichtfertig. Verschiedene Faktoren können den Ausschlag geben. Darunter beispielsweise veränderte Marktbedingungen. Neue Trends, wie der Siegeszug vegetarischer und veganer Ernährung, der Wunsch nach nachhaltigen Produkten oder die zunehmende Bedeutung von Online-Shopping, können dazu führen, dass das ursprüngliche Geschäftsmodell nicht mehr zeitgemäß ist.

Manchmal ist es aber das Eingeständnis, dass das eigene Geschäftsmodell fehlerhaft ist. In der Praxis zeigt sich mitunter, dass die ursprüngliche Idee nicht so gut funktioniert wie geplant. Die Marktanalyse war unzureichend, die Zielgruppe zu eng definiert, die Kostenkalkulation falsch oder alles baut auf fehlerhaften Annahmen auf.

Doch auch das hervortun neuer Chancen kann ein Grund für einen Pivot sein. Unternehmer*innen entdecken neue Marktchancen, die sie mit ihrem bestehenden Geschäftsmodell nicht nutzen können. Innovative Technologien oder die Erschließung neuer Märkte bieten Potenzial für Wachstum und Expansion.

Achtungspunkte bei einem Pivot

Wer den Schritt eines solchen Richtungswechsel wagt, sollte dabei allerdings einige Punkt beachten.

Der richtige Zeitpunkt: Doch wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Pivot? Ein zu früher Pivot kann riskant sein. Der Markt ist möglicherweise noch nicht bereit für die neue Idee, die Technologie noch nicht ausgereift oder die Kundenakzeptanz noch gering. Dies kann zu Ressourcenverschwendung und Misserfolg führen. Warten Unternehmen hingegen zu lange mit dem Pivot, droht der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Die Konkurrenz kann sich etablieren, neue Marktführer entstehen und die eigenen Produkte oder Dienstleistungen werden irrelevant.

Kommunikation und Strategie: Neben dem richtigen Zeitpunkt ist auch die Kommunikation des Pivots entscheidend. Kund*innen, Mitarbeitende und Geschäftspartner müssen frühzeitig und transparent über die Veränderungen informiert werden. Wichtig ist es dabei, die Gründe für den Pivot klar und verständlich zu kommunizieren, die neue Strategie zu erläutern und die Vorteile für alle Beteiligten hervorzuheben.

Erfolgreiche Umsetzung: Ein erfolgreicher Pivot erfordert schließlich eine klare Strategie und konsequente Umsetzung. Das Unternehmen muss bereit sein, neue Wege zu gehen, alteingesessene Prozesse zu hinterfragen und neue Fähigkeiten zu entwickeln.

Praxisbeispiele: Pivot erfolgreich gemeistert.

Die Lebensmittelbranche ist einem ständigen Wandel unterworfen. Verbraucher*innenwünsche ändern sich, neue Lebensmitteltechnologien werden entwickelt, gesetzliche Vorgaben verschärft und der Wettbewerb nimmt zu. Unternehmen, die sich nicht an diese dynamischen Rahmenbedingungen anpassen, können schnell ins Hintertreffen geraten. Dabei kann manchmal ein Blick auf Unternehmen helfen, die einen erfolgreichen Richtungswechsel hinter sich haben.

KoRo

Die KoRo Drogerie wurde Ende 2012 von Constantinos Calios (kurz Kosta) und Robert Schyska gegründet und begann als Online-Drogerieversand für Privathaushalte und Gewerbekunden. Der Name setzt sich dabei aus den Vornamen der zwei Gründer zusammen: Kosta und Robert. Die zwei Jungs hatten Günter Faltins Bestseller „Kopf schlägt Kapital“ gelesen und daraufhin angefangen, Wasch- und Reinigungsmittel in Großgebinden und zu günstigen Preisen online zu verkaufen – über Amazon, über eBay und über einen eigenen Online-Shop. Dann wurde die damalige Freundin, heutige Frau von Kosta, Veganerin und stellte fest, wie schwierig es war, Zutaten wie naturbelassene Trockenfrüchte zu kaufen. Testweise nahm KoRo also auch trockene Lebensmittel ins Sortiment auf. Das lief so gut, dass die beiden Gründer irgendwann komplett auf Food umschwenkten. Heute verkauft KoRo Trockenfrüchten, Nüssen und Ähnliches und macht damit gut über 20 Millionen Jahresumsatz.

Rebel Meat

Mit Burger-Patties, die zu je 50 Prozent aus Bio-Fleisch und aus Pilzen sowie Hirse bestehen, startete das Wiener Startup Rebel Meat 2020 in den Markt. Im Frühling 2021 folgten weitere “Blended Meat”-Produkte wie Würstchen – allesamt, wie die Burger-Patties, im Kühlregal und alle im Hybrid-Konzept: Fleisch ja, doch eben nur zur Hälfte. Die besagten Produkte sind mittlerweile aber allesamt wieder aus dem Handel verschwunden. Das Unternehmen setzt nun voll und ganz auf eine Produktlinie, die im Herbst 2021 eingeführt wurde: Rebel Meat Kids. Dabei handelt es sich um “Blended Meat”-Tiefkühlkost für Kinder, konkret Fleischbällchen, Hühnernuggets und neuerdings auch Hühnersticks. Das Unternehmen begründet den Schritt in einer aktuellen Aussendung zum neuen Produkt einerseits mit einem allgemeinen Trend hin zu mehr Tiefkühlkost. Demnach stieg der jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch zuletzt auf einen Rekordwert von 47,7 Kilogramm. Andererseits habe man mit der Rebel Meat Kids-Linie “genau ins Schwarze getroffen” – sie dürfte sich also deutlich besser verkaufen, als die erste Produktlinie.

Wonder

Das US-Startup Wonder basiert au der Idee, Essen nicht nur bis an die Haustüre zu liefern, sondern es auch besonders frisch, direkt vor Ort auf der Straße, in dafür eingerichteten Transportern zuzubereiten. Anfang 2023 stellte das Unternehmen dennoch auf ein konventionelleres Ghost-Kitchen-Modell um und eröffnete zehn Standorte in New Jersey und New York. Bisher zahlt sich dieser Pivot anscheinen aus. Das Unternehmen konnte mehrfach frisches Kapital aufnehmen, auch in der gegenwärtigen schwierigen Funding-Landschaft und übernahm Ende 2023 sogar Kochboxen-Pionier Blue Apron.

Greenforce

Ein weiterer Pivot könnte sich gerade beim Startup Greenforce anbahnen. Die Münchener starteten 2020 mit mit der Idee, Alternativen für Fleisch, Ei, Milch & Co in Pulverform zu verkaufen. Doch seit neustem bietet das Startup auch "Ready-to-Heat" Produkte im Glas an. Darunter Gulasch, Currywurst, Chili sin Carne und Bolognese, natürlich alles pflanzlich. Damit weicht das Startup zwar von seiner ursprünglichen Idee ab, Wasser und damit Transportgewicht einzusparen, doch der Markenkern bleibt: leckere, gesunde Gerichte und Zutaten, für eine Fleischlose Ernährung.

Wir sehen also, dass ein Pivot kein Zeichen von Schwäche ist, sondern Ausdruck unternehmerischer Weitsicht und Innovationskraft sein kann. In der schnelllebigen Lebensmittelbranche ist es besonders wichtig, offen für neue Ideen und bereit zu sein, die Richtung zu ändern, um den Erfolg des Unternehmens zu sichern. Unternehmen, die den Mut zum Wandel zeigen, sind gut gerüstet, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen und die Chancen des Marktes zu nutzen.

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